Montag, 1. September 2014

Der Münchhausen Titel

Viele Doktoranden finden sich während der Doktorarbeit in Situationen, in denen sie eine Zusammenarbeit mit jemandem bräuchten,
um weiterzukommen.
Diese kann ein Kollege sein, oder der 'betreuende' Professor.
Der Kollege hat meist keine Ahnung von dem Thema seiner Mitdoktoranden, der 'Betreuer' jedoch schon.
(Hoffentlich zumindest.)
Natürlich könnte der Betreuer das Thema der Doktorarbeit auch selber von Anfang bis Ende durchziehen.
Und sehr wahrscheinlich auch viel schneller und effizienter. Also warum tut er es nicht?
Er hat natürlich nicht genug Zeit sich um Alles in allen Projekten selber zu kümmern.
Offensichtlich ergibt sich ein beidseitiger Vorteil, jemandem das Handwerk beizubringen und in dann werken zu lassen.
Ergo soll der Doktorand während der Doktorzeit lernen, selber zu arbeiten/forschen, und dies anhand eines Projekts in Zusammenarbeit
mit seinem Betreuer. Einverstanden?
Dann kommen wir zur paradoxen Wirklichkeit, der Durchführung dieses Systems.
Der Doktorand trifft auf ein Problem, denkt sich mehrere Wege aus, dies zu lösen. Keiner davon hilft ihm weiter.
Keine seltene, und gleichzeitig wichtige Situation für das Heranwachsen des Doktoranden. Was also tun?
Mit dem Betreuer zusammenarbeiten. Mit ihm die bisherigen Gedankengänge erläutern. Und zusammen neue erarbeiten, und dabei
Herangehensweisen gelehrt bekommen.
Auch hier einverstanden?
Nun hat der Betreuer aber keinerlei Lust, sich so tief mit einem Thema zu beschäftigen. Gut, manchmal mag es Zeitmangel sein.
Aber die Forschung eines Professors läuft nunmal zu einem großen Teil über seine Doktoranden, die dadurch herangezogen werden sollen.
Daher sieht die Realität eher aus wie ein paar abspeisende Floskeln, so gute Hinweise wie "Das ist ein Problem, dass sie lösen müssen",
welche natürlich sehr hilfreich und sehr lehrreich sind.
Also sieht die Realität des Systems eher so aus, als würde der Doktorand angestellt, um dem Professor Ergebnisse zu liefern.
Aber wie soll der Doktorand alleine Dinge produzieren, wenn er eigentlich daran erst erlernen sollte, wie er sich selbst so etwas erarbeitet?
Einerseits soll der Doktorand selbstständiges Arbeiten lernen, und andererseits soll er selbstständig arbeiten. Und dann natürlich noch das gewollte
Produkt liefern innerhalb der vorgeschriebenen Zeit.
Wie Doktoranden es also schaffen, sich an ihrem eigenen Schopf selbst aus dem Sumpf zu ziehen, und am Ende noch ein fertiges Produkt
vorzuweisen, ist mir schleierhaft.
Diese paradoxe Aufgabenstellung ohne physische und psychische Schäden zu überleben, scheint mir unmöglich.

Die Folgen dieser Handhabung des Betreuertums sind vielleicht nicht gleich ersichtlich. Aber die nächste Generation weiß es dann nicht besser,
und erzieht wieder und wohl noch ein Stück weiter in diese Richtung. Und spätestens die dritte Generation,
kann keine Probleme mit anderen kommunizieren, und hält von jedem der sich nicht alleine aus dem Sumpf zieht, sagen wir mal, weniger, um es milde auszudrücken.
Aber sie kennen nichts anderes. Sie haben nie Geduld oder ruhige Diskussion gelernt.
Andere schlechter machen, oder tiefer in den Sumpf zu drücken, um sich selbst zu erhöhen, ist das Handwerk, das gelehrt und gelernt wird.

Natürlich gibt es auch Betreuer die bei der obigen Situation die richtige Hilfestellung leisten, wodurch der Doktorand lernt und
das Problem gelöst werden kann - aber es gibt auch vierblättrige Kleeblätter.
Man könnte dagegen argumentieren und sagen, es sind nur die dieses Titels wert,
die bereit sind und es schaffen, sich selbst an ihrem Schopf aus dem Sumpf zu ziehen.
Wie viele Barone namens Münchhausen kennen Sie?
Sagt Ihnen die Stadt Sparta und ihre Bräuche etwas?

Mittwoch, 2. April 2014

Was wir verdienen

Damit wir "was werden", sollen wir studieren. Damit wir "was werden", sollen wir brav sein. Damit wir "was werden", müssen wir arbeiten.

Damit wir viel verdienen, müssen wir studieren. Damit wir viel verdienen, müssen wir anständig sein. Damit wir viel verdienen, müssen wir arbeiten.

Wenn wir dumm sind, wenn wir unartig sind, wenn wir faul sind, wird nichts aus uns.
Wenn wir dumm sind, wenn wir unartig sind, wenn wir faul sind, sollten wir uns schämen.
Wenn wir dumm sind, wenn wir unartig sind, wenn wir faul sind, sind wir daran schuld.

Dann sollten wir uns schämen, unsere Chancen verbaut zu haben. Sind wir schuld, wenn wir nicht genug verdienen.

Das wird uns entweder direkt oder indirekt, bewusst oder unbewusst, auf viele verschiedene Weisen klar gemacht. Von den Eltern, von der (katholischen) Kirche, von Vorgesetzten, von Freunden.

Deshalb studieren wir. Deshalb sind wir brav. Und deshalb arbeiten wir. Damit wir es zu etwas bringen.
Wir stecken zurück, unterdrücken, und müssen halt dadurch. Jeden Tag. Jeden Monat. Jedes Jahr.

Und mit jedem Jahr steigen wir auf, und unser Gehalt steigt mit uns, und wir verdienen immer mehr. Und wenn nicht, dann ist das unsere Schuld. Denn wir haben
nicht genug dafür getan.

Und je weiter wir aufsteigen, desto mehr wird uns Gehalt gezahlt.
Je weiter wir aufsteigen, desto mehr verdienen wir.
Je weiter wir aufsteigen, desto mehr wird uns gesagt, was wir alles Tolles erreicht haben. Und das ist es ja, was wir wollen, was uns glücklich macht(?/.)

Je näher wir dem Gipfel kommen, umso mehr wird er uns zuwider.
Und wir unterdrücken dieses Gefühl, und verstecken es tief in uns, wo es keiner findet.
Nichtmal wir selbst!
Denn uns wird gezeigt dass man das so macht.

Und wenn wir zum Gipfel aufgestiegen sind, schwitzen wir und fallen vor Erschöpfung um.
Je verschwitzter wir sind, desto mehr werden wir in die Höhe gelobt.
Je erschöpfter wir sind, desto mehr haben wir verdient, die Aussicht zu genießen.
Je höher der erklommene Gipfel, umso mehr verdienen wir - was?
Gehalt?
Angestellte?
Urlaub?
Erholung?
Respekt?
Ansehen?

Montag, 31. März 2014

Moderne Sklaverei

Vor ein paar Jahrzenten wurde die Sklaverei abgeschafft. Kein Mensch durfte mehr Eigentum eines Anderen sein.
Sklaven wurden gepeitscht und in Ketten gelegt.

Niemand würde heutzutage noch sagen, dass Leute versklavt werden, oder versklavt sind. Denn sie sind sich dessen nicht bewusst.

Wir alle werden in dieser Welt als Sklaven geboren. Wir alle sind Sklaven.
Wir bekommen die metaphorische Peitsche und liegen in metaphorischen Ketten. Und wir alle sind Eigentum des Anderen.

Wir werden geboren, und einigen unseren Besitzern gefällt nicht, dass wir schreien.
Werden wir von unseren direkten Besitzern mit ins Restaurant genommen und benehmen uns nicht, müssen wir getadelt werden.
Verhalten wir uns später nicht wie es sich gebührt bekommen wir Hausarrest, oder kein Abendessen.
Bringen wir keine Flasche Wein zu einer Einladung mit, rufen nicht einmal die Woche bei jedem an um zu fragen "wie's geht" oder
halten nicht 30 mins Small Talk mit jedem jedesmal wenn man sich über den Weg läuft; dann werden wir mindestens als komisch oder seltsam bezeichnet.
Dann werden wir vllt nicht gemocht, wir erhalten komische Blicke, und werden gemieden.

Wir haben bestimmte Dinge zu haben und zu wollen, haben uns nach den Vorstellungen und Erwartungen Anderer zu verhalten.
Diese Erwartungen, Vorstellungen, und Regeln werden uns von klein auf eingebläut. Kaum sind wir da, werden uns unsere Ketten angelegt.
Und versuchen wir auszubrechen, werden wir ausgepeitscht.
Die Erwartungen Anderer, die nichtmal deren Erwartungen sind, sondern nur die Fesseln die sie selber von klein auf angelegt bekommen haben, sind die Fesseln, die uns peinigen.

Vielleicht muss nicht jedes Kind hoch begabt sein. Nicht jeder mit 20 sein Studium abgeschlossen, oder überhaupt ein Studium abgeschlossen haben.
Vielleicht ist jemand glücklicher mit lila gefärbten Haaren, mit einem strubbligen Bart, ohne Freund/Freundin, als Kassierer beim Edekea, oder ohne Alkohol zu feiern.

Für manche ist das übertrieben, zu provokant, und gar nicht so schlimm. Aber die Frage bleibt bestehen:

Sind eure Erwartungen und Wünsche eure eigenen?

Mittwoch, 11. Dezember 2013

Über die Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten

Die Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten ist in der Wissenschaft (wie auch in anderen Bereichen) ein Qualifikations- und Kompetenzkriterium.
Dies wird u.a. damit begründet, dass eine Zusammenarbeit dann eine Zusammenarbeit im eigentlichen Sinne ist, d.h. mit zwei oder mehreren Teilnehmern auf Augenhöhe, bei dem jeder etwas vom anderen lernen kann. In allen anderen Fällen wird eine "Zusammenarbeit" als Ausbildung eines Teilnehmers betrachtet, d.h. nicht als Zusammenarbeit gewertet. Der "Ausbilder" sieht dies als Investition oder als Zeitverlust an, je nach Position des "Auszubildenden". Während bei einem Diplomanden/Masteranden, und auch bei einem Doktoranden (bis zu einem gewissen Monat seiner Promotionsszeit), ersteres valide ist, trifft man bei einem Postdoktoranden zweitere Betrachtungsweise an.
Dies zur Ausgangssituation. Eine Kritik dieser Betrachtungsweise wird an anderer Stelle wiedergegeben.

In diesem Falle geht es mir um die Voraussetzungen, die für selbständiges Arbeiten notwendig sind. Außerdem geht es mir um die Fehler, die in der Interpretation dessen gemacht werden.

Für selbständiges Arbeiten sehe ich folgende drei Punkte als essentiell an:
1. Geistige Voraussetzungen
2. Methodik/Wissen/Erfahrung
3. Motivation

Ich bin mir sicher, dass Punkt eins in der Wissenschaft selten für Probleme im selbständigen Arbeiten verantwortlich ist, weil die meiste Arbeit in der Wissenschaft keine geistigen Voraussetzungen verlangt, die nicht im Studium ebenfalls vorausgesetzt werden. Freilich, um ein hervorragender Wissenschaftler zu sein, mag dies gewisse höhere geistige Voraussetzungen verlangen - allerdings ist dies ja nicht notwendig, um in der Wissenschaft arbeiten zu können. Leider, so scheint es mir, wird dieser Punkt sehr oft vorschnell zur Urteilsfindung herangezogen.

Punkt zwei halte ich für den maßgeblichen Auslöser für eine mangelnde Fähigkeit zum selbständiges Arbeiten. Es muss ein gewisses Level an Methodik, Wissen und Erfahrung vorhanden sein. Dies ermöglicht es nicht nur, neue Verknüpfungen zu bilden, sondern auch, viele dieser Verknüpfungen wieder fallenlassen zu können, weil sie im Kontext nicht umsetzbar oder irrelevant sind. Außerdem verringert die Erfahrung die Zeit, die man auf organisatorische oder technische Dinge verwenden muss drastisch. Die Methodik erlaubt, bekannte Fehler von vornherein auszuschließen.
Die Fehlinterpretation zugunsten Punkt eins, unter Vernachlässigung dieses zweiten Punktes, führt meines Erachtens zu einer der größten sich-selbsterfüllenden Prophezeiungen.
Ich will hier nur ein Beispiel von vielen nennen. Wenn man als Postdoktorand sein Arbeitsgebiet wechselt, weist man natürlicherweise einen Mangel an Methodik, Wissen und/oder Erfahrung in diesem neuen Gebiet auf. Dies kann von den Machteliten fälschlicherweise als mangelnde geistige Voraussetzung interpretiert werden, die daraufhin die Zusammenarbeit verweigern, weil diese als Ausbildung gesehen wird, in die man nicht investieren will. Wissen kann damit langsamer oder gar nicht aufgebaut werden, und dieser verzögerte Aufbau kann wiederum als mangelnde geistige Fähigkeit interpretiert werden. Der Kreis schließt sich, die Prophezeiung hat sich selbst erfüllt. Eine Lösung wäre, nicht die fachliche Methodik/Wissen/Erfahrung im aktuellen Bereich als Basis zu verwenden, sondern die Methodik, das Wissen und/oder die Erfahrung, die der Postdoktorand aus seinem vorherigen Aktivitätsgebiet mibringt. Ich denke, es gibt sich immer eine Überschneidung, z.B. im systematischen Arbeiten oder in der logischen Analyse der Ergebnisse. Damit wäre eine echte Zusammenarbeit zumindest "formal" möglich (wobei sie durch andere Faktoren, wie z.B. das Konkurrenzverhalten, nicht wahrgenommen werden könnten).
Die Unmöglichkeit dieser Situation, wie ich sie nenne, schreibe ich übrigens tatsächlich mangelnden geistigen Voraussetzungen zu, und zwar auf Seiten der Machteliten.

Diese mangelnden Voraussetzungen der Machtelite wiegen wesentlich schwerer, weil sie meist eine permanente Position bekleiden und somit die Macht besitzen, Jahrgänge von motivierten Nachwuchswissenschaftlern aus der Wissenschaft zu vertreiben.

Damit wären wir beim dritten Punkt. Man kann argumentieren, dass eine mangelnde Motivation in der mangelnden Erfahrung oder übersteigerten Erwartungen des (Post-)Doktoranden wurzelt, oder in der Wissenschaft selbst, die anstrengend ist und vielleicht zu selten die Genugtuung gibt, die man sich erhofft. Ich glaube aber, dass die Machteliten einen sehr großen Beitrag zu Demotivation leisten, die sie dann den (Post-)Doktoranden anlasten. Damit wird erneut eine Prophezeiung erfüllt.
Ich sehe beispielsweise meist hochmotivierte Doktoranden zu Beginn ihrer Promotionsszeit, ihre Veränderung und schließlich ihre Motivationsprobleme am Ende.

Zusammenfassend ist also meist der zweite Punkt, nämlich die nicht-ausreichende Methodik/Wissen/Erfahrung dafür verantwortlich, dass jemand nicht selbständig arbeiten kann. Ich gehe soweit, dass ich behaupte, dass mit fortschreitender Zeit größtenteils nicht die Methodik verbessert wird, sondern vielmehr das Wissen und die Erfahrung. Dies wiederum kann dazu führen, dass man als neue Machtelite keine Methodik lehren kann, und dies nicht einmal bemerkt. Unsystematisches Wissen/Erfahrung wiederum ist für andere Menschen schwer zu erlernen, und Punkt eins und drei werden zur neuen Prophezeiung der nächsten Generation. Besonders unangenehm ist eine fehlende Methodik für Menschen mit unterschiedlicher Denkweise, die damit besonders schwere Zeiten im Wissenschaftsbetrieb (Zusammenarbeit & Diskussion) haben. Doch dazu mehr an anderer Stelle.

Dienstag, 5. November 2013

Spieglein Spieglein

Wir halten Vorträge, haben mündliche Prüfungen und Vorstellungsgespräche.

Die Photos auf Bewerbungen müssen professionell aussehen.

Wenn hier oder dort ein Barthaar zu viel oder eine Haarsträhne am falschen Platz sitzt, bleibt man arbeitslos. Dann hat Heidi Klum heute leider kein Photo für uns.

Die Begründung warum wir nicht eingestellt wurden, oder schlechte Noten bekamen, lautete sehr oft: weil wir uns nicht richtig verkaufen können. Wir konnten die Erwartungen unserer Gegenüber nicht in dem Maße erfüllen, wie sie es gerne hätten.
Gut, in manchen Jobs braucht es nun einmal ein Model, das genau so aussieht oder genau das darstellen kann, was die Firma repräsentiert haben möchte. Nur muss der Rest von uns sich auch so gut verkaufen können, um genau den Vorstellungen zu entsprechen?

"Sich verkaufen" ist dabei eine gute Wortwahl. Wir benutzen es mittlerweile gleichbedeutend mit "einen guten Eindruck machen", oder "kompetent sein". Wir haben einen zu geringen Wert für uns bekommen. Aber müssen wir uns denn für den richtigen Wert hergeben und uns verkaufen?

Wortwörtlich betrachtet sollte es damit benutzt werden für "Kompetenz vorspielen", "käuflich sein", "sich für Geld/Gegenwert hergeben". Dass wir es aber mittlerweile in der falschen Bedeutung benutzen, spiegelt unsere Gesellschaft wieder. Denn die Welt will uns nicht haben, wie wir sind, wir sollen sein wie sie uns gern hätte - und am besten alle noch konform. So streben wir danach einen immer höheren Preis für uns verlangen zu können, und verändern uns dafür hin zu wie wir sein sollten.
Oder versuchen unserem Käufer etwas vorzuspielen, um den Preis in die Höhe zu treiben. Ziehen schicke, professionelle Klamotten und Schuhe an. Schminken uns ein professionelles Lächeln ins Gesicht und rasieren den Bart, damit man es besser sieht. Denn Bewerbungen landen im Müll, nur weil das kleine Photo auf der ersten Seite nicht genug anspricht.
Sobald man durch den ersten Reifen gesprungen ist, ist man dann natürlich willig, und vom "Erfolgserlebnis" angespornt, auch durch die nächsten zu springen. Also tun wir alles für die nächste Beförderung, in dem wir jede Kleinigkeit aussehen lassen als wären es Wunder und bieten ein gar großartiges Schauspiel.
Und mit der Zeit unterdrückt diese zweite Persönlichkeit der Arbeit unser wahres Ich.

Ist sich gut verkaufen können eine gute Eigenschaft? Was bleibt denn noch über wenn man sich jedem verkauft?

Wenn man nicht von jedem angenommen wird, heißt das nicht, dass man nicht gut ist, lediglich, dass man selber noch vorhanden ist.

Freitag, 25. Oktober 2013

Macht der Titel die Arbeit?

Die erste Bedeutung dieser Frage ist leicht zu beantworten: Nein, aber er lässt Interesse aufkommen um zu lesen.
Was uns zur zweiten Bedeutung bringt: Macht dein Titel deine Arbeit?
Nach zweieinhalb Jahren Arbeit zum Doktortitel hin, stellt sich mir die Frage ob der Titel das Wert ist? Und ob er noch aussagekräftig ist, für die Arbeit die der Träger machen kann?

Der Doktortitel hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Man ist etwas "Besseres".
Man bekommt mehr Gehalt, man bekommt bessere Jobs, man bekommt mehr Gehör und mehr Ansehen.
Die Meinung eines Doktors ist mehr wert.

Aber warum?
In vergangenen Zeiten, vor hunderten von Jahren, oder nur vor 40, war die Anzahl der Uni-Bewohner noch klein, und die Professoren und Doktoren taten das was sie taten aus Interesse und mit Nachhaltigkeit, um der Sache willen. Behauptungen wurden angezweifelt und hinterfragt (viellleicht mehr als nötig, zugegeben).
Über Behauptungen/Aussagen/Theorien wurde besser geredet und diskutiert als heutzutage, scheint mir.
Titel wurden Personen verliehen, die sie verdient hatten. Damit meine ich nicht, dass man nur einen Titel bekommen sollte, wenn man Newton oder Einstein heißt.
Diese Titel wurden Personen verliehen, die es verdient hatten einen solchen Titel zu tragen. Und das blieb den Menschen im Kopf und assoziieren sie heute mit einem Doktor oder Professor. Eigentlich nichts daran auszusetzen. Nur wurde seitdem der Titel jemals wieder hinterfragt?

Aktuell scheinen mir die Mehrheit (>50%) dieser Titel immer noch gerechtfertigt, keine Frage. Nur wird die Zahl der ungerechtfertigt Vergebenen immer höher.
Und diese Steigung kommt nicht aus der Steigung der vergebenen Titel.
Meine Schlussfolgerungen kommen natürlich nur aus Erfahrungswerten und Gesprächen mit anderen Doktortitel-Kandidaten, daher betrachten wir mal die zwei Titel an meinem Horizont, Dr. med. und Dr. rer. nat..

Mediziner schreiben ihre Dissertation meist während des letzten Semesters des Studiums innerhalb von 3-6 Monaten, welche oft aus der Zusammenfassung mehrerer Studien zu bestehen scheint.
Da Mediziner allerdings meistens an Menschen praktizieren, sollten sie dann nicht auch einen Großteil der Zeit der Arbeit damit verbringen, darin besser zu werden?
Also vergebt mir, wenn der reine Titel der aus dieser Facharbeit resultiert nicht mein großes Ansehen erhält.
Das soll keineswegs die Kompetenz der Mediziner anzweifeln, aber der Titel könnte auch nach z.B. drei Jahren Praxis & dann dieser Arbeit verliehen werden.

Zu den Naturwissenschaftlern. Hier eher Chemiker, was aber nicht bedeutet, dass es in anderen Gebieten nicht oft ebenso ist.
Die Chemiker bekommen ihren Titel nach 2.5 bis 5 Jahren Forschung (Normalerweise bzw mittlerweile 3.5 bis 4), der Zusammenfassung dieser Forschung in einer schriftlichen Arbeit und einer Verteidigung dieser innerhalb einer zweistündigen Diskussion gegenüber drei Professoren. Der direkte "Vorgesetzte" des Kandidaten und die zwei Professor-Kollegen dessen. Zum Abschluss wird der Titel auch noch mit einer Note (0-3) versehen.

Klingt doch schon mal respektabel, oder nicht?
Von Außen betrachtet, kein Zweifel ein gutes System. Aber das ist das Notenvergabe-System im Abitur und vor allem im Studium auch.
Von Innen sieht man jedoch die Fehler. Nicht die Fehler des Systems, sondern die Fehler der einiger Menschen darin.
Diese Fehler haben viele Ursachen, viele Auswirkungen und vielleicht viel Diskussionsbedarf. Aber hier geht es erst mal um die Auswirkung auf die Kompetenzen und das Ansehen eines Doktortitel-Trägers.
Die Fehler liegen in der Umsetzung des Systems. Es wird nicht mehr objektiv durchgeführt. Um nur die Spitze zu erwähnen, die drei Professoren in der oben genannten Prüfung, und ganz besonders einer von ihnen, ist meist im geringsten nicht mehr objektiv. Der Professor, mit/für den der Kandidat jahrelang davor geforscht hat, dessen Stimme das größte Gewicht in der Doktorprüfung ist.
Er/sie sieht unmittelbare Folgen darin, wie gut oder schlecht sein "Zögling" nach außen hin gesehen wird. Nämlich die Rückschlüsse der anderen auf seine eigene Kompetenz, damit sein Ansehen, und damit sein Vorankommen in der Akademischen Laufbahn/"Karriere". Denn das Ansehen der Professoren und damit der Uni in der Welt und gegenüber anderen Universitäten ist ausschlaggebend für die Gelder, die zu dieser Uni fließen und zu diesen Professoren. U.a. deshalb wird der Kandidat, der nicht geeignet ist für den Titel, dennoch durch die Jahre der Forschung und die Prüfung geschoben, und am Ende meist mit einer schlechteren 1 (trotz zwei weiterer Notenstufen) bewertet.
Denn es kann niemand aus dem Hause des Professors XY kommen und kein Genie sein. Denn nur die Besten der Besten bekommen Gelder. Aus dem selben Grund werden Notenstufen 3-6 (in Prüfungen zum Bachelor/Master/...) kaum noch verwendet. Aber dienen für den Gesamtschnitt der Uni und deren Ansehen und als Maßstab für die Kompetenz der Studenten. Kandidaten sind nicht länger "gut", "nicht gut" oder "schlecht", sie sind "nicht exzellent". Daher sind auch Träger des "Dr. rer. nat"-Titels mit Vorsicht zu betrachten.

Das Ansehen, dass diesen Titeln entgegen gebracht wird war daher zu anderen Zeiten vielleicht angemessen, ist aktuell aber viel zu hoch.
Dies heißt nicht, dass keiner einen solchen Titel tragen dürfen sollte. Es bedeutet lediglich, dass Ehrfurcht und Ansehen gegenüber solch althergebrachten Titeln immer wieder hinterfragt werden sollte, und nicht alles Gold ist was mal glänzte.

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